It´s Award Time again! Als ich am Dienstag mal wieder das Internet nach interessanten Neuigkeiten auf der ganzen Welt durchstöberte, fiel mir eine Nachricht besonders ins Auge: Auf der Webseite eines sehr populären deutschen Klatschmagazins prangte eine Reihe von Bildern, die gespickt waren mit Namen und Titeln. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, um welche Neuigkeit es sich handelte. Die Oscar-Nominierungen wurden heute offiziell verkündet!
Pünktlich 4 Wochen vor seiner Verleihung bleibt allen Nominierten also noch genug Zeit, auf eigens veranstalteten Partys und bei öffentlichen Auftritten kräftig die Werbetrommel für sich zu rühren und so die Jury zu überzeugen, dass ihnen der Preis auch wirklich gebührt. Denn Preise sind wichtig. Sie verschaffen den Nominierten vor allem eins: Aufmerksamkeit. Attraktivere Filmrollen, höhere Finanzierungen der Filmprojekte, Einladungen zu allen wichtigen Veranstaltungen und höhere Verkäufe an Kinotickets, DVDs und Blu Rays sind nur einige wenige der Folgen, die mit dem Oscarsgewinn einhergehen. Aber auch wenn man „nur“ zu den Nominierten zählt, an denen der Goldjunge an diesem Abend doch vorübergeht , ist der Oscar ein nicht minder profitables Geschäft. Und das sollte er von Anfang an auch sein!
Preise sind wichtig – vor allem im Filmgeschäft
Hollywood oder genauer gesagt die Filmindustrie auf der ganzen Welt feiert sich also wie jedes Jahr mal wieder selbst – und das eigentlich schon seit September. Traditionell mit den Emmy Awards, dem wichtigsten Fernsehpreis der Vereinigten Staaten beginnend, werden in den nächsten Monaten überall auf der Welt eine Reihe wichtiger Preise wie People´s Choice Award. Screen Actors Guild Award, BAFTA und Bambi verliehen und würdigen damit national und international die Arbeit, die Schauspieler, Filmemacher, Drehbuchautoren und Komponisten jedes Jahr leisten. Aber erst mit der Verleihung des Golden Globe Awards im Januar tritt die sogenannte Award Season in ihre heiße Phase, die traditionell mit der Verleihung der Oscars im Februar ihr vorläufiges Ende finden – bis sie im September von neuem wieder startet.
Die Geschichte des Films war von Anfang an eine Erfolgsgeschichte
Dass der Oscar der wichtigste unter all diesen Preisen ist, kommt dabei nicht von ungefähr. Vielmehr ist er die Reaktion auf eine tiefe Krise, die die Filmindustrie in den 1920er Jahren erlebte und somit der erste Preis, der überhaupt jemals für Filme und Filmschaffende verliehen wurde.
Eine Krise, die so nicht abzusehen war. Denn die Geschichte des Films war von Anfang an eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Bereits im 17. Jahrhundert begeisterten „Filmvorführungen“ die Zuschauer; ein Umstand, der sich bis zum 19.Jahrhundert kontinuierlich fortsetzen sollte.
Die Geburtsstunde des Films ist dabei gleichzusetzen mit der Geburt der Filmtechnik, wobei man von „bewegten Bildern“ wie wir sie heute kennen noch meilenweit entfernt war. Denn bevor die Bilder laufen lernten, lernten sie erstmal flackern. Das erste „Filmvorführgerät“, die Laterna Magica, projizierte mithilfe von Kerzenschein und Linse bereits Mitte des 17.Jahrhunderts, ähnlich einem Diaprojektor, unbewegte Bilder an die Wand. Eingeführt wurde diese neue Art der Unterhaltung übrigens nicht von einem findigen Geschäftsmann, sondern von der Kirche selbst! Der Jesuit Athanasius Kircher wollte mithilfe dieser Filmtechnik nämlich Werbung für den Glauben machen und die Menschen religiös erziehen. Doch statt die Menschen in die Kirche zu ziehen, trat die Laterna Magica ihren Siegeszug auf Jahrmärkten und später in bürgerlichen Privathaushalten an und wurde von der Kirche bald als Teufelsapparat verurteilt. Welche Ironie!
Als die Bilder laufen lernten
Dass die Bilder doch noch Laufen lernten ist letztendlich den Entwicklungen der Fotografie zu verdanken, die ihrerseits fleissig an neuen Vorführgeräten tüftelte, um Fotografien in Serie vorführen zu können. Einem Durchbruch gelang dabei Eadweard Muybridge, der erstmals Serienfotografien eines galoppierenden Pferdes anfertigte und mithilfe eines von ihm entwickelten Vorführgeräts, des Zoopraxiskops, auch zum Laufen brachte.
Als Geburtsstunde des „Bewegtfilms“ gilt bei vielen Historikern aber die Filmvorführung von Auguste und Louis Lumiere am 28. Dezember 1895 im Pariser „Grand Café“. Die Lumiere´s zeigten ihrem Publikum einige selbstgedrehte, kurze Filme mit Szenen aus dem Alltag, wobei die Ankunft eines Zuges im Bahnhof wohl die spektakulärste war. Dass während der Filmvorführung Menschen schreiend aus dem Kino liefen oder sich unter ihren Sitzen versteckten, ist wohl pure Legende; das die neue Filmtechnik aber die Massen nachhaltig beeindruckten mit Sicherheit nicht.
Der Premiere in Paris folgten bald öffentliche Filmvorführungen auf der ganzen Welt. Das Interesse an dem neuen Medium Film stieg immens, so dass eine neue Marktidee aufkam: die Einrichtung ortsfester Kinos. Diese „Kintöppe“ oder „Nickelodeons“ steigerten ihrerseits wieder die Nachfrage nach neuem Filmmaterial und brachte eine neue Innovation mit sich: Die Filme erhielten Handlung. Denn schnell hatten die Filmemacher erkannt, dass Filme auch weitere Möglichkeiten bereithielten: mit ihrer Hilfe konnten auch Geschichten erzählt werden, die die Realität veränderten. Experimente mit Stopptricks, Mehrfachbeleuchtungen und Schnitten schufen nach und nach filmische Konventionen und Filmtricks, die heute noch in fast jedem Film zu sehen sind. Auch die Filmsprache perfektionierte sich in den nächsten Jahren und schuf abendfüllende Filme. Aber so unterschiedlich die Filme der Anfangszeit in ihrer Ausgestaltung auch waren, hatten sie doch eines gemeinsam: sie kamen alle ohne Ton aus. Erst 1927 leitete der Film „Der Jazzsänger“ die Ära des Tonfilms ein.
Der Aufstieg Hollywoods zur Traumfabrik
Vor allem in den Vereinigten Staaten explodierte die Filmindustrie förmlich, denn der Hunger der Kinogänger nach neue Filmen war schier unersättlich. Schon 1909 war Film bereits „Big Business“ und steigerte seinen Umsatz um 25 Millionen jährlich, auch wenn das Zentrum der Filmindustrie, anders als heute, noch nicht in Hollywood lag. Da als erstes französische Filmgesellschaften das wirtschaftliche Potential des bewegten Bildes erkannt hatten, dominierten sie auch bis zum Ersten Weltkrieg den weltweiten Filmmarkt. Großbritannien, Italien, Deutschland, Dänemark und die Vereinigten Staaten konnten erst ab 1914 nennenswerte Marktanteile erobern.
Das Hollywood trotzdem zur führenden Filmindustrie der Welt wurde mag zum einen daran liegen, dass sich ab 1910 verschiedenen Filmschaffende wie William Fox und Samuel Goldwyn in Hollywood niederließen, deren Filmgesellschaften MGM und 20th Century Fox noch heute zu den bedeutendsten der Welt gehören und den Grundstein für die spätere Traumfabrik legten. Zum anderen konnte sich die Filmwirtschaft im von den Kriegsschauplätzen weit entfernten Hollywood immer mehr entfalten, wodurch die US-amerikanische Filmindustrie nach dem Ersten Weltkrieg die Vormachtstellung Frankreichs ablösen konnte. Stummfilmgrößen wie Charly Chaplin und Buster Keaton und Filmklassiker wie „Metropolis“ zeugen vom Aufstieg der heutigen Traumfabrik.
Eine Preisverleihung als Weg aus der Krise
Um so verwunderlicher scheint es, dass die US-amerikanische Filmindustrie Ende der 1920er in eine Krise geriet. Grund war zum einen der Übergang von Stumm- zum Tonfilm und neue Erfindungen wie zum Beispiel das Radio dazu, dass die Kinos weniger Besucher verzeichneten. Für die Eigentümer der großen Studios wurde die Situation immer schwieriger, und auch die Einführung von Gewerkschaften und Zensur trugen nicht zur Verbesserung der Lage bei. Aber genau diese mit der Einführung des Tonfilms herbeigeführte Wende wusste Louis B.Mayer, der Leiter der erfolgreichen MGM-Studios, für sich zu nutzen. Zusammen mit Conrad Nagel und Fred Nibble ersann er eine Institution, die die Kunst des Filmemachens verkörpern und die Interessen der Filmschaffenden gewährleisten sollte. Die Idee der „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“ war geboren und wurde am 27.Januar 1927 bei einem feierlichen Galadinner mit 33 einflussreichen Filmgrößen im Ambassador Hotel in Los Angeles umgesetzt. Das erste offizielle Bankett der Akademie folgte im 11. Mai 1927, bei dem die Satzung verabschiedet und weit über 200 neue Mitglieder angeworben wurden.
Aber es dauert noch bis 1929, bis zum ersten Mal der Akademieeigene Award verliehen wurde – damals noch unter dem Namen „Academy Award of Merit“! Als Verleihungsort wurde das „Hollywood Roosevelt Hotel“ direkt am Hollywood Boulevard festgelegt, wo der deutsche Schauspieler Emil Janninas den ersten „Academy Award of Merit“ als Bester Hauptdarsteller in „Der Weg allen Fleisches“ aus dem Jahr 1927 in Empfang nehmen konnte. Die Auszeichnung galt zugleich für seinen ein Jahr später entstandenen Film „Sein letzter Befehl“ und ist bis heute der einzige Preis, den ein deutscher Schauspieler für seine Darstellung als „Bester Hauptdarsteller“ in Empfang nehmen konnte! Die Verleihung des Preises war für Emil Janninas im übrigen keine Überraschung: Schon drei Monate vorher wurden die Akademie Award-Gewinner in der Presse verkündet. Überraschungen und Spannung wie heute – Fehlanzeige! Die erste Verleihungszeremonie mit der heutigen Oscar-Veranstaltung zu vergleichen ist übrigens auch in anderer Hinsicht kaum möglich: nur 270 Gäste nahmen an der Zeremonie teil, Karten für die Veranstaltung gab es schon zum Preis von 5 Dollar, der Preis wurde lediglich in 12 Kategorien verliehen und die Verleihung selbst war nach 15 Minuten schon wieder beendet . Nur die Oscar-Statur ist bis heute gleich geblieben.
Schon ein Jahr später sah die Preisverleihung aber schon ganz anders aus. Unter dem neuen Academy-Präsidenten Cecil B. DeMile, der den Vorsitz von Douglas Fairbanks übernommen hatte, entschloss man sich zu einigen Änderungen der Veranstaltung. So wurde die Verleihung von Mai auf den Februar bzw. Anfang März und fand nun im Ambassador Hotel in Los Angeles statt; die Verleihung wurde zudem zum ersten Mal im Radio übertragen, was das Interesse der Bevölkerung an diesem Preis noch steigerte. Außerdem wurden die Gewinner nicht mehr im Vorfeld verkündet, sondern lediglich die Medien über den Ausgang der Verleihung im Vorfeld informiert mit der Auflage, die Gewinner erst nach der eigentlichen Veranstaltung abzudrucken. Als die Los Angeles Times 1940 diese Sperrfrist missachtete, wurden die vorherigen Pressemitteilungen abgeschafft und die Namen der Gewinner bis zur Bekanntgabe selbst seitdem in versiegelten Umschlägen verschlossen gehalten. Lediglich den beauftragten Notaren von PriceWaterCoooper sind die Gewinner vorher bekannt. Die wohl größte Änderung betraf aber die Anzahl der Gewinner. Nur noch 7 statt 12 Goldjungen wurden 1930 verliehen. Mit Blick auf die Zukunft entschloss sich die Academy aber, 1930 zwei Oscarverleihungen durchzuführen, um ab 1931 immer die Filme des Vorjahres auszeichnen zu können. So wurden 1930 doch insgesamt 15 Trophäen vergeben.
Vom Krisenbewältiger zur Massenveranstaltung
Seit der ersten Verleihung im Roosevelt Hotel in Los Angeles hat sich einiges verändert. So wechselte der Veranstaltungsort in den nächsten Jahren häufiger, unter anderem beherbergten das Bilmore Hotel , Grauman´s Chinese Theater und das Shrine Civic Auditorium in den letzten Jahrzehnten den wichtigsten Filmpreis der Welt. Seit 2002 hat die jährliche Verleihung im Dolby Theatre eine Heimat gefunden und wird dort wahrscheinlich auf absehbare Zeit auch bleiben. Auch weitere Kategorien sind im Laufe der Jahre hinzugekommen wie zum Beispiel der Preis für den besten ausländischen Film und der Preis für den besten Nebendarsteller; insgesamt wird heute in mindestens 24 Kategorien verliehen wird. Die Anzahl der Kategorien kann variieren und wird jedes Jahr von der Kommission neu festgelegt. Und auch der Oscar kam zu seinem heutigen Namen: 1934 bedankte sich Walt Disney in seiner Rede für seinen „Oscar“ – der Name ist bis heute geblieben. Woher er stammt, ist übrigens unklar. Gerüchte, die die Namensgebung unter anderem Academy-Bibliothekarin Margaret Herrick oder Schauspielerin Bette Davis zuschreiben, sind bis heute nicht einwandfrei nachweisbar.
Und nicht erst seit 1954, als die Verleihung das erste Mal im Fernsehen gesendet wurden, stieg das Interesse der Öffentlichkeit kontinuierlich an. Das Event selbst ist heute zu einem Massenevent geworden; über 800 Millionen Menschen auf der ganzen Welt verfolgen die Verleihung jedes Jahr im Fernsehen, um George Clooney, Cate Blanchett und Co. in Galauniform über den roten Teppich laufen zu sehen und fiebern auf eigens organisierten Oscarpartys, natürlich stilvoll in Smoking und Abendkleid, der Verkündung der Gewinner entgegen.
Auch ich werde es mir in der Nacht der Oscar-Verleihung wieder auf der Couch gemütlich machen und gespannt die Zeremonie verfolgen. Die Nominierungen sind dieses Jahr sehr interessant und auch nachvollziehbar, vor allem weil ich einige der Filme dieses Mal auch wirklich kenne. Sehr erfreulich finde ich, dass nicht nur vergleichsweise viele LGBTIQ-Charaktäre dieses Mal nominiert sind, sondern auch einige farbige Darsteller zu den Nominierten gehört, die auch gute Chancen auf die begehrte Trophäe haben. Auch die Nominierung von „Black Panther“ ist ein Novum der Oscargeschichte. Zum ersten gehört nicht nur ein massentauglicher Film über einen schwarzen Superhelden zum Kreis der Nominierten; auch die Nominierung eines hauptsächlich schwarze Cast ist eine erfreuliche Neuerung in der Geschichte der Oscars.
Die Oscars waren nie skandalfrei
Diese vermeintliche Chancengleichheit war aber nicht immer gegeben. Immer wieder gerieten die Awards auch wegen politischer und gesellschaftlicher Konflikte in die Schlagzeilen. 1940 zum Beispiel erhielt Hattie McDaniel als erste Schwarze eine Auszeichnung als beste Nebendarstellerin in „Vom Winde verweht“ – wegen der Segregation in den USA wurde Hattie aber von ihren weißen Filmkollegen getrennt an einen Extra-Tisch gesetzt. Auch 2016 sah sich die Academy mit ähnlicher Kritik konfrontiert. Denn alle Nominierungen hatten wie im Vorjahr schon ausschließlich weisse Darsteller erhalten, was bei vielen die Frage nach der ethnischen Diversität aufwarf und unter dem Begriff #OscarsSoWhite im Internet große Diskussionen hervorrief.
Nicht für die Farbigen, sondern für die indianische Minderheit setzte sich dagegen der Schauspieler Marlon Brando ein, der sich 1973 aus Protest gegen die Unterdrückung der Indianer weigerte, seinen Oscar als bester Hauptdarsteller für „Der Pate“ anzunehmen. Stattdessen schickte er eine indianische Aktivistin zur Verleihung, die einen Brief vorlas, in dem Brando die Diskriminierung von Indianern in der amerikanischen Filmindustrie stark kritisierte.
Die Oscars letztes Jahr standen dagegen ganz im Zeichen der „MeToo“-Debatte, die sexuellen Missbrauch in der Filmindustrie anprangerte. Denn auch wenn mit Whoppy Goldberg und Ellen DeGeneres mittlerweile auch weibliche Moderatoren durch die Oscars geführt und für eine größere Sichtbarkeit von Frauen in der Industrie gesorgt haben, sind ungleiche Bezahlung und sexueller Missbrauch von Frauen in der Filmbranche immer noch ein großes Thema.
Dagegen sind der Treppensturz von Jennifer Lawrence 2013 und der Diebstahl aller Statuen im Vorfeld der Verleihung im Jahr 2000 noch vergleichsweise harmlose „Skandale“, die die Oscarverleihung in ihrer Geschichte erlebt hat. Eine Erfolgsgeschichte ist sie trotz allem. Denn die Krise der Filmindustrie hat sie erfolgreich überwunden – und das war ihr Ziel.